Rede zum Haushalt 2007
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach der Harmonie in den vergangenen Wochen – insbesondere bei den Abstimmungen zum vorliegenden Haushalt – könnten wir es uns heute alle leicht machen, uns auf die Bewertung des Zahlenwerks beschränken und es formal für gut befinden.
Für uns besteht, wie in den vergangenen Jahren kein Zweifel an den von der Kämmerei gelieferten Zahlen. Sie wurden uns schlüssig aufbereitet – dafür vorab ein herzliches Dankeschön!
Dennoch meine ich, dass es notwendig ist, über den „Tellerrand“ unseres Haushalts zu schauen, darüber nachzudenken, wer die „Suppe“ versalzen hat – und das bestimmt nicht aus reiner Liebe.
Erlauben Sie mir daher, wie in den vergangenen Jahren einen kleinen Rückblick und einen Ausblick zu geben.
In welcher Gesellschaft wollen wir leben?
Fragen der demographischen Entwicklung und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Zusammenleben der Generationen müssen diskutiert und bewertet werden.
Die Belastungen der sozialen Sicherungssysteme für die jüngere Generation nehmen weiter zu.
Gerade auch die Bezirke sind mit ihrem breiten Aufgabenspektrum in den Bereichen der psychiatrischen Versorgung, der Hilfen für Menschen mit Behinderungen und für alte Menschen in der Pflege besonders gefragt. Dabei geht es nicht nur um schnelle Antworten und kurzfristige Lösungen. Die Bezirke müssen sich auf die Zukunft vorbereiten und Antworten für kommende Generationen geben können – das funktioniert nicht wenn alle in Haushaltsjahren denken!
Es reicht nicht, im tagespolitischen Geschäft nach kurzfristigen Lösungen zu suchen, parallel dazu müssen wir eine Wertedebatte führen. Ausschließlich ökonomische Erwägungen – die im Übrigen häufig ziemlich kurz gesprungen sind – dürfen nicht alleinige Grundlage unseres Handelns sein.
Besonders schwierig wird dies, wenn Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten beliebig hin und her geschoben werden – ohne Rücksicht auf die Betroffenen. Es mag oberflächlich betrachtet um Verwaltungsvorschriften und Gesetzesänderungen gehen. Dahinter stehen Menschen mit ganz individuellen Schicksalen, die einen Anspruch auf eine Antwort der Gesellschaft und der sie vertretenden Politikerinnen und Politiker haben. Da sind auch Kreativität und Mut gefragt!
Für uns heißt das, dass die Bezirke sich damit auseinander setzen müssen, auf welcher Wertegrundlage und nicht aufgrund welcher Verwaltungsvorschrift sie zukünftig soziale Leistungen erbringen wollen.
Insofern begrüßen wir den ersten Schritt, den der Bezirk Oberbayern nun mit der Gründung eines übergreifenden Gremiums zur Gesundheits-, Sozial- und Versorgungsplanung tun wird. Nun liegt es an allen Beteiligten, die Chance zu ergreifen und tatsächlich rasch verbindliche Planungen anzugehen. Nur dann kann dieses Gremium glaubwürdig sein. Von der Effizienz und der begleitenden kritischen Beurteilung durch die Politik und die Sachverständigen wird es abhängen, ob es tatsächlich gelingt, ein zukunftsfähiges Konzept für die Versorgungsplanung zu erarbeiten. Wir werden uns an diesem Prozess kritisch beteiligen.
Erlauben sie mir an dieser Stelle, mich bei der ehemaligen Vorsitzenden der Bezirksarbeitsgemeinschaft, Frau Babette Gebhard, sehr herzlich für ihr Engagement zu bedanken. Die Möglichkeiten waren ohne die breite Unterstützung der Politik – insbesondere der Mehrheitsfraktion – deutlich eingeschränkt. Ziel der BAG war es bereits in den vergangenen Jahren Sozialplanung zu betreiben – Grundlagenarbeit wurde hier bereits getan. Erstaunlich wie unsensibel die BAG aufgelöst wurde.
Die Überleitung zur Frage, welche Aufgaben denn zukünftig auf der Ebene der Bezirke gebündelt werden, ergibt sich aus dem Gesagtem zwingend. Nur wenn auch für die Eingliederungshilfe der ambulante und stationäre Bereich zusammengeführt werden – und zwar aus unserer Sicht auf der Ebene der Bezirke (mit evtl. einem Optionsmodell) – kann tatsächlich Steuerung passieren. Ich bin davon überzeugt, dass in diesem Gremium weitgehend Einigkeit herrscht und es nicht notwendig ist, hier in die fachlich differenzierte Auseinandersetzung zu gehen.
Das Problem ist, dass die Einigkeit spätestens auf der Ebene der Staatsregierung im Verbund mit Städte- und Landkreistag in viele Einzelmeinungen zerfällt. Es darf einen schon erstaunen, dass fachliche Erwägungen kaum eine Rolle spielen und es um „Pfründe“ zu gehen scheint. Bei den vielen Debatten über die Verlagerung von Aufgaben, drängt sich gelegentlich das Gefühl auf, man befände sich auf einem arabischen Bazar. Ich würde mich freuen, wenn die CSU ihre Weltoffenheit an anderer Stelle demonstrieren würde.
Ähnlich verhält es sich auch bei der Frage, auf welcher kommunalen Ebene zukünftig die „Hilfe zur Pflege“ angesiedelt werden soll. Ein durchaus nachvollziehbares Argument ist es, dass die Hilfen möglichst „nah am Menschen“ vermittelt werden sollen. Dies spräche deutlich für die Kreise und kreisfreien Städte. Doch spätestens dann, wenn man sich die Motivationslagen genauer anschaut, kommen Zweifel auf. Es wird Kommunen geben, die auf jeden Fall materielle Gewinner einer solchen Entscheidung wären – das sind diejenigen, in denen verhältnismäßig viele jüngere Menschen leben. Diejenigen, die eine ältere Bevölkerungsstruktur aufweisen, würden deutlich mehr belastet. Genau hier können die Bezirke über ihre Ausgleichsfunktion tatsächlich für Ausgleich sorgen. So kann gewährleistet werden, dass es zu einer adäquaten Versorgungsstruktur kommt – egal wo man lebt.
Auf keinen Fall darf aber für die Eingliederungshilfe auf eine sinnvolle Zusammenlegung gepocht werden und bei der Hilfe zur Pflege alles beim „Alten“ bleiben. Auch hier sind zukunftsfähige Modelle gefragt, die eine Verzahnung von ambulanten und stationären Hilfen ermöglichen. Keine neuen Zuständigkeitsverschiebebahnhöfe!
Noch haben sie uns auf ihrer Seite, was die Zusammenführung der oben genannten Aufgaben auf die Ebene der Bezirke betrifft.
Zu den Krankenhäusern
Im vergangenen Jahr wurde sehr intensiv an der Neuausrichtung unserer Kliniken gearbeitet. Gelegentlich konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Tempo vor der inhaltlichen Qualität zählen sollte.
Positiv anzuerkennen ist, dass insbesondere das Steuerungsgremium – über alle Parteigrenzen hinweg – sehr konstruktiv gearbeitet hat. Mein Dank allen Mitgliedern dieser Arbeitsgruppe, die wertvolle Grundlagen für die heutigen Beschlüsse und die zukünftige Ausrichtung der Krankenhäuser erarbeitet haben.
Bedauerlich aus unserer Sicht, dass es nun nicht gelingt, in einem „Kraftakt“ das Konzept – so wie geplant – umzusetzen. Uns gefällt dieses Stückwerk nicht. Es verwässert die gewünschte Signalwirkung.
Wir haben uns heute den grundsätzlichen Beschlüssen nicht mehr verweigert. Die ausgearbeitete Satzung und insbesondere die Verhandlungen mit dem Gesamtpersonalrat und den Gewerkschaften lassen uns hoffen.
Gefragt ist nun die Bayerische Staatsregierung. Leider sind die Erfahrungen mit „schnellen Entscheidungen“ der Bayerischen Staatregierung sehr schlecht. Was die Bezirke betrifft – kommen sie mit jahrelanger Verzögerung (Gewässer 2. Ordnung, Zusammenführungen ambulante und stationäre Versorgung für Menschen mit Behinderung, Abschaffung der Bezirke ja oder vielleicht um nur einige Beispiele zu nennen).
Das hieße dann unter Umständen, dass wir mit einem unübersichtlichen Nebeneinander von Organisationsformen zurechtkommen müssten. Die Abstimmung und die gewünschten Synergieeffekte würden sich – so befürchten wir – in einem mehr und nicht in einem weniger an Bürokratie widerspiegeln (Mehrkosten).
Wir wünschen den Süd-West-Kliniken, der Heckscher Klinik und dem Kommunalunternehmen einen guten Start in die Zukunft! Einen guten Start für die Patientinnen und Patienten und für die Beschäftigten.
Forensiken
Mit der neuen Vereinbarung hoffen wir, dass wieder Ruhe in die Debatte um eine mögliche Privatisierung der forensischen Kliniken in Bayern einkehrt. Was wir aus Baden-Württemberg hören, lässt nichts Gutes erahnen. Hier wird die Bewährungshilfe privatisiert und im nächsten Jahr folgt der nächste Eingriff in hoheitliche Bereiche – Teile einer Justizvollzugsanstalt werden privatisiert.
Wir sind der festen Überzeugung, dass hoheitliche Aufgaben – und die forensischen Kliniken erfüllen hoheitliche Aufgaben – nicht privatisiert werden dürfen.
Klar ist, dass die Aufgaben der forensischen Kliniken nicht weniger werden. Auch hier spiegeln sich Verwerfungen unserer Gesellschaft wider. Ziel muss es immer sein, kranken Menschen Zugang zu therapeutischen Hilfen und eine Resozialisierung zu ermöglichen.
Umwelt, Bau- und Wasserwirtschaft
Die Ausführungen zu den Aufgaben in den Bereichen Umwelt und Wasserwirtschaft werden von Jahr zu Jahr dünner. Die Aufgabenverlagerung bei den Gewässern 2. Ordnung nahm einen wichtigen Teilbereich in Anspruch. Ob diese Entscheidung zum Wohle der Kommunen, die dringend Maßnahme an ihren Gewässern benötigen getroffen wurde, wagen wir zu bezweifeln.
Umso mehr muss sich der Bezirk Oberbayern – wenn er seinem Anspruch gerecht werden will – wieder dem Natur- und Umweltschutz widmen. Sei es beim Ankauf und der Pflege schutzwürdiger Flächen, sei es bei der Sanierung von Gebäuden oder bei Neubaumaßnahmen. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass eine Reihe von Kollegen bei bezirklichen Baumaßnahmen mit viel Engagement und Sachverstand nach sinnvollen Einsparmaßnahmen suchen. Schön wäre es, wenn die eingesparten Mittel unmittelbar in sinnvolle umweltpolitische Maßnahmen fließen würden.
Kultur
Die Kulturpolitik des Bezirks ist nicht das, was wir nachhaltig nennen würden. Da wurde zu Beginn dieser Legislaturperiode überproportional gespart, so dass der Kulturanteil noch nicht einmal mehr ein Prozent des Gesamthaushaltes ausmachte. Nun haben sich die meisten Sparmaßnahmen egalisiert, manche wurden ganz oder teilweise zurückgenommen. Ein politischer Plan ist da nicht immer zu erkennen, außerdem verunsichert diese „Unsicherheitspolitik“ die Kulturschaffenden in Oberbayern. Auch Kulturpolitik darf nicht nach Gutdünken oder Gutsherrenart „passieren“.
Dass die Zuwendungen erhöht wurden ist da ein richtiges Signal. Dennoch muss mehr getan werden, damit Kultur im Verhältnis zum Rest des bezirklichen Engagements den richtigen Stellenwert einnimmt.
Hervorzuheben sind Ereignisse wie das Jubiläum der Glentleiten oder die ehrenamtlich erstellte Wanderausstellung zum Thema Industrie- und Arbeitswelten in Oberbayern.
Die Entwicklungen in Seeon und im Schafhof begleiten wir weiterhin konstruktiv kritisch. Beiden Einrichtungen ist zu wünschen, dass Kulturangebot und Kulturfinanzierung in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen. Erfreulich der Erfolg des Hopfenmuseums. Positiv auch die gelungene Eröffnung des keltenrömermuseums, dem wir skeptisch gegenüber standen, dem nun aber, da es existiert, unsere Aufmerksamkeit und Anerkennung gehört.
Die bezirkliche Kinder- und Jugendarbeit, die Zusammenarbeit mit dem Bezirksjugendring steht unter einem guten Stern. Der Bezirk Oberbayern erweist sich hier als verlässlicher Partner, der die Anliegen der Jugend-kultur-arbeit ernst nimmt. Ausdruck findet dies auch in der neu beschlossenen Medienfachberatung. Bedauerlich ist, dass die Popintendanz nun nicht das Gewicht erhält, die wir es uns erhofft hatten.
Zum Haushalt:
Die vorbereitende Haushaltsdebatte verlief in allen Ausschüssen unaufgeregt und sachlich. Sicher ist es in einem Jahr wie diesem leichter einen Haushalt zu verabschieden. Schmerzhafte Eingriffe waren nicht notwendig.
Dem Bezirk Oberbayern gelingt es in diesem Jahr den Umlagesatz für die Bezirksumlage 2007 auf 19,80 Pkte. zu senken. Und dies trotz steigender Fallzahlen im Bereich der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege. Zurückzuführen ist dies freilich hauptsächlich auf die Tatsache, dass die Umlagekraft gestiegen ist. Die eigenen Steuerungsmöglichkeiten sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft und werden erst dann wirksam werden, wenn die erhoffte Neuverteilung der Aufgaben tatsächlich mehr Steuerung zulässt. Aber machen wir uns nichts vor – wir haben diesen Haushalt auf der Basis der harten Reduzierungen der vergangenen Jahre aufgestellt.
Wir begrüßen die Entlastung der Landkreise und kreisfreien Städte, damit auch diese ihre Aufgaben erfüllen können.
Wir werden der Haushaltssatzung zustimmen.
Dank
Bedanken möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, der Krankenhäuser und unserer Einrichtungen. Die Zusammenarbeit war unkompliziert und gut.
Mein Dank gilt dem Gesamtpersonalrat, der sich mit viel Engagement und Herzblut in diesem Jahr in die Debatten eingebracht hat – und auch mit uns immer wieder ehrlich ins Gericht gegangen ist.
Bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich mich für das gute Klima bedanken.
Ihnen allen wünsche ich eine besinnliche und erholsame Zeit „zwischen den Jahren“. Vielleicht gelingt es Ihnen, die „staade Zeit“ nachzuholen.
Allen wünsche ich ein frohes, gesundes und friedliches Jahr 2007.
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