Rede zum Haushalt 2010 von Martina Naubauer

Martina Neubauer, Fraktionsvorsitzende

So eine richtige Weihnachtsstimmung mag nach den Entwicklungen der vergangenen Wochen, den intensiven Haushaltsberatungen und den Hiobsbotschaften aus den Kommunen nicht aufkommen. Dazu kommt dann noch das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz der schwarz-gelben Bundesregierung, das die Kommunen, sollte der Bundesrat hier nicht die Notbremse ziehen, in weitere ganz erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bringen wird.

Dennoch möchte ich – in gute Tradition – zunächst unserem Kämmerer und seinem Team sehr herzlich danken. Wie in den vergangenen Jahren hat er uns das Zahlenwerk in einer Sitzung dargelegt und stand für alle Fragen gewohnt souverän zur Verfügung. Ein herzliches Dankeschön dafür! Und diese Anmerkung sei mir erlaubt: eine gut funktionierende Finanzverwaltung ist die halbe Miete.

Die Haushaltsberatungen verliefen in diesem Jahr erstaunlich harmonisch. Die vorgelegte Haushaltssatzung ist nur auf verhaltenen Widerstand gestoßen. Da waren zum einen die Kollegen der FW, die der Meinung waren, die Bezirksumlage um 1,22 Prozentpunkte zu erhöhen sei angemessen und ausreichend und die FDP, die deutlich über den mehrheitlich empfohlenen Wert von 1,4 Prozentpunkten Erhöhung gehen will. Die freien Wähler sehen sich den weiteren kommunalen Ebenen verpflichtet und verkennen dabei aus unserer Sicht, dass es in den nächsten Jahren noch bitterer werden wird: Steigende Fallzahlen und sinkende Einnahmen werden zu weiteren Bezirksumlagesteigerungen führen – denn auf den Freistaat im Rahmen des Finanzausgleichs oder gar auf die Bundesregierung mit einem Bundesteilhabegesetz werden wir uns auch in Zukunft nicht verlassen können. Aus diesem Grund erscheint eine im Verhältnis zu den steigenden Fallzahlen moderate Erhöhung durchaus vertretbar.

Was die FDP im Schilde führt, ist in sich stimmig. Erst die kommunalen Haushalte an die Wand fahren und dann in den nächsten Jahren erklären, dass für kommunale Daseinsfürsorge, für Bildung und Soziales und vor allem für Klima- und Umweltschutz kein Geld mehr da ist. Wir hören schon den Ruf nach Privatisierung!

Wir werden uns dafür einsetzen, dass die finanziell schwierige Lage der Kommunen nicht auf dem Rücken der Menschen in sozialen Notlagen ausgetragen wird. Wir sind davon überzeugt, dass auch Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, die Brisanz erkannt haben und der von uns bereits Ende November vorgelegten Resolution zustimmen werden.

Nach den Landtags- und Bezirkstagswahlen mit den neuen Mehrheiten, waren wir gespannt, wie sich die beiden Kooperationspartner zusammenraufen würden. Würde es ein neues Profil in der Sozialpolitik im Bezirkstag geben? Wir haben erwartet, dass nach der Blockadehaltung in der vergangenen Amtsperiode mehr Bewegung in die Diskussionen und damit Entscheidungen kommt. Fehlanzeige. Ein drastisches Beispiel und durchaus symbolisch war der Umgang mit den Zuverdienstarbeitsplätzen. Ein oberbayerisches Vorzeigemodell, das sehenden Auges kaputt gespart werden sollte. Kaputt gespart auf dem Rücken der Betroffenen. Das war ein unwürdiges Agieren. Es bleibt zu hoffen, dass es in der Arbeitsgruppe gelingt, vernünftige Lösungen zu finden.

Und damit bin ich bereits bei unserem größten Haushalt und unserem Sorgenkind angelangt. Der Einzelplan 4 in seiner ganzen Dimension. Steigende Fallzahlen, Gegenwind von den Wohlfahrtsverbänden, Kritik aus dem bayerischen Landtag, sich formierende Betroffene und Angehörige und eine UN-Konvention, die sich mit den Rechten von Menschen mit Behinderung auseinandersetzt, klare Forderungen und Ziele formuliert und die von allen Bundesländern ratifiziert wurde.

Wir wollen, dass die eingesetzten Gelder bei den Menschen ankommen, die sie benötigen. Eine bürgerfreundliche effektive Verwaltung ist dafür ebenso Voraussetzung, wie konsequente politische Beschlüsse und Finanzierungssicherheit.

Eine effektive Verwaltung, die souverän in der Lage ist, im Einzelfall flexibel und human zu entscheiden und nicht dogmatisch am Komma des Gesetzgebungstextes festhält.

Was fehlt, ist eine klare Haltung zu Fragen der Steuerung. Es reicht eben nicht oder ist geradezu kontraproduktiv sich über sog. Benchmarks mit den anderen Bezirken zu messen und dann Einsparmodelle zu fahren. Was wir tun müssen, ist klare Ziele auf der Grundlage der UN-Konvention formulieren, Prognosen für die Zukunft erstellen und wirksame Steuerungsmodelle entwickeln und umsetzen. Ohne die Schaffung von Anreizen wird es nicht gelingen, den ambulanten Bereich zu stärken und im stationären Bereich den weiteren Ausbau zu stoppen.
Für die Öffnung der Schulen mit dem Ziel der Inklusion müssen mehr Gelder für Integrationshelfer und pädagogisches Personal bereitgestellt werden. Insgesamt müssen die Rahmenbedingungen an den Schulen für gemeinsames Lernen von behinderten und nicht behinderten Kindern verbessert werden. Dies ist nur im Zusammenspiel mit dem Kultusministerium als große gesellschaftliche Aufgabe zu verwirklichen. Die Untersuchungen zu den Wirkungen eines inklusiven Schulsystems sind beeindruckend.

Wir müssen alles dafür tun, dass die volle und wirksame Teilnahme am Arbeitsleben für behinderte Menschen möglich wird. Es darf nicht hingenommen werden, dass immer mehr Menschen vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden und im Gegenzug die Zahlen bei den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) immer weiter ansteigen. Stichwort: Außenarbeitsplätze, Integrationsfirmen.

Wir sind bereit, das Thema Steuerung in jeder Hinsicht, auch in finanzieller offensiv mitzutragen. Wir sind davon überzeugt, dass es gelingen kann, mit den vorhandenen Ressourcen einen Weg einzuschlagen, der den Zielen der UN-Konvention und damit den Menschen mit Behinderung Rechnung trägt.

Gesundheit – Im Westen nichts Neues?

Im Bereich der Psychiatrie freut es uns besonders, dass die Regionalisierung wieder Fortschritte macht.

Endlich kam es zu einer Einigung mit den Münchner Kliniken. Wir begrüßen sehr, dass in Schwabing eine Abteilung des Isar-Amper-Klinikums entsteht.

Seit Jahren besonders schwierig gestaltete sich die Verlagerung der Betten in den Westen Oberbayerns. Trotz eines vor mehr als 15 Jahren getätigten Grundstückskaufs, dem Häuslerpark, ging nichts voran. Immer wieder gab es unüberwindbare Hürden, neue Ideen, die wieder verworfen werden mussten. Die Realisierung der Verlagerung erschien teilweise aussichtslos. Auch wenn wir keine Pessimisten sind und an die Vernunft glauben, verließ uns hier der Glaube. Umso erfreulicher, dass es jetzt grünes Licht gibt. Der Krankenhausplanungsausschuss hat beschlossen, dass im Häuslerpark eine neue Psychiatrie entstehen kann.

Die Klinik wird voraussichtlich die Kriterien einer gemeinsamen Eingangstür mit der Somatik nicht erfüllen. Schade, denn es ist ein sinnvoller Weg Stigmatisierung entgegenzuwirken.  Aber die fehlende gemeinsame Eingangstür ist nicht nur als Makel zu begreifen, sondern auch als Auftrag, stärker gegen Diskriminierung vorzugehen. Ein Auftrag, an dem die Politik und die Kliniken gemeinsam arbeiten müssen. Es sollte zur Normalität unsere Gesellschaft gehören, durch eine Tür in die Psychiatrie zu treten.

Der Neubau einer Klink stellt aber auch noch ganz andere Herausforderungen. Unser Klima wandelt sich, die Ressourcen werden knapper. Dies gilt es, bei den Planungen zu berücksichtigen und höchste Standards zu verwirklichen. Energetisch muss das Haus zukunftsfähig ausgerüstet werden, auch wenn der Preis dafür momentan vielleicht höher erscheint, mittel- und langfristig werden wir alle davon profitieren. Wir fordern unsere Vertreterinnen und Vertreter im Verwaltungsrat auf, hierauf ein besonderes Augenmerk zu legen.

Die nächsten Jahre werden noch weitere Herausforderungen auf die Kliniken zukommen, die Ausweitung der ambulanten Versorgung und die Einführung des pauschalierten Entgeltsystems.

Schlecht, um nicht zu sagen sehr schlecht, läuft die EDV-Service Gesellschaft. Besser gesagt die EDV Firmen. In diesem Jahr schaffte es ein monatealter also uralter sogenannter Wurm, in das System des Inn-Salzach-Klinikum einzudringen und einen nicht unerheblichen Schaden anzurichten. Dies hätte eigentlich gar nicht passieren dürfen, da sowohl die Softwarehersteller diese Lücken schon geschlossen hatten, als auch die Virenscanner auf diese Attacke vorbereitet waren – wären sie denn upgedated gewesen. Dass dies nicht der Fall war, ist ein klares und nicht wegzudiskutierendes Organisationsverschulden der IT der Kliniken. Verantwortung hat freilich letztlich niemand übernommen, zumindest nicht für den Schaden, der nicht mal beziffert werden konnte. Aber das Problem liegt eigentlich ganz woanders. Die komplizierte Struktur der Trennung von Software und Hardwaredienstleistungen und wie wenn dies nicht reichen würde dann auch noch die gemeinsame GmbH bei der EDV-Infrastruktur zwischen Bezirk und den Kliniken hat auf der einen Seite zum Anschwellen des Kopfes und damit zur Steigerung der Kostenseite und auf der anderen Seite zur Minderung der Qualität der EDV-Versorgung geführt.

Die Kliniken sollen ihre EDV autonom regeln. Aus einem einfachen Grund: Es gibt praktisch keine Gemeinsamkeiten. Diese zu erzwingen kostet weiterhin sehr viel Geld. Die wenigen Synergieeffekte die man evtl. erzielen könnte, kann man auch mit direkten Verträgen zwischen den Partnern regeln.

Im Logo des Bezirks Oberbayern findet sich neben den Begriffen

Soziale Hilfen, Gesundheit, Bildung und Ausbildung, Kultur, Heimatpflege auch der Bereich Umwelt Zur Erinnerung zitiere ich gerne den Vorspann aus unserem Internet-Auftritt: „Als kommunale Gebietskörperschaft hat der Bezirk Oberbayern eine besondere Verantwortung für die Umwelt und die Verpflichtung, mit den vorhandenen Ressourcen so schonend wie möglich umzugehen. Betrieblicher Umweltschutz in den Einrichtungen des Bezirks und der Schutz der Kulturlandschaften der Region werden deshalb sehr ernst genommen.“

Die Themen CO2-Minimierung und Energieeffizienz sind uns ein großes Anliegen. Die
Klimaveränderung ist zu einer existenziellen Herausforderung der gesamten
Menschheit geworden und erfordert jetzt Maßnahmen; global und lokal.

2009
haben wir zahlreiche  Anträge zu diesem Thema gestellt: Beitritt des Bezirks zum Klima-Bündnis,  Ökostrombezug, Priorität für die energetische Gebäudesanierung, Solaranlagen für das Schwimmbad in der Johann-Nepomuk-von-Kurz Schule und das Agrarbildungszentrum Landsberg am Lech, einen Grundsatzbeschluss, dass bei zukünftigen Bauvorhaben und bei der
Erneuerung bestehender Heizungsanlagen ausschließlich regenerative
Energieträger zum Einsatz kommen und dass bei  Neubauvorhaben der Passivhausstandard erreicht werden sollen. Leider sind unsere Anträge auf wenig Gegenliebe gestoßen; ihnen wurde
nur teilweise gefolgt und wir hatten den Eindruck, dass die Auseinandersetzung
mit diesen überlebenswichtigen Themen den zuständigen Gremien eher lästig war.

In unserem jüngsten Antrag vom November zum Thema Energie fordern wir, dass alle geeigneten Dachflächen der bezirkseigenen Liegenschaften und Schulbauten  kurzfristig komplett mit Photovoltaikanlagen auszurüstet werden. Neben einem Schritt zur Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern eröffnet die Erzeugung von Strom aus Photovoltaik durch die garantierte Einspeisevergütung und die momentan  sehr zinsgünstigen Kredite kalkulierbare Einkünfte und damit finanzielle Handlungsspielräume.

Unser aller Lieblingskind ist sicher die Kultur.

Auch wenn hier im Verhältnis zum Gesamthaushalt relativ geringe Mittel zur Verfügung stehen, erzielen wir große Wirkung in der Region.

Herausragendes Beispiel waren in diesem Jahr die Oberbayerischen Kultur- und Jugendkulturtage. Sie waren ein Höhepunkt und haben viele Akteure zusammengebracht. Im nächsten Jahr wird es – trotz knapper Kasse – eine Fortsetzung geben.

Wir warnen davor, im Kulturbereich den Rotstift anzulegen. Der Bezirk Oberbayern unterstützt – häufig mit relativ kleinen Beträgen – regionale Initiativen und setzt Impulse mit seinen Förderpreisen. Dass es in den vergangenen Jahren zu kritischen Nachfragen und dem Wunsch nach Umsteuerung kommt, ist nur zu begrüßen. Die Förderung der Gebirgsjäger wie die aus unserer Sicht überdimensionale Förderung der Schützen seien als zwei Beispiele genannt.

Wir wünschen uns für die Zukunft einen Fördertopf für interkulturelle Projekte, um das Zusammenleben und das Zusammenwachsen der Bevölkerung in Oberbayern positiv zu unterstützen. Diskussions-und Entscheidungsbedarf besteht für das kommende Jahr um eine größere Vielfalt in der Kulturförderung für demokratisch politische Kultur zu ermöglichen. Dies insbesondere angesichts sich ausbreitender Demokratieverdrossenheit und latenter Fremdenfeindlichkeit.

Nach dem Hin und Her um das Radom unterstützen wir es, die „Alte Gießerei“ in Ingolstadt einer intensiven näheren, auch planerischen, Betrachtung zu unterziehen. Ingolstadt hat eine gute Infrastruktur, sodass ein Museum für Arbeiter- und Industriekultur auch das notwendige öffentliche Interesse erfahren kann.

Wir werden wachsam beobachten, inwieweit die personelle Ausstattung im Kulturreferat zu qualitativen Einbußen führt.

Unsere Einrichtungen im kulturellen Bereichen, seien es der Schafhof, das Kloster Seeon, das auch kulturell immer wieder Highlights setzt oder unsere Museen an der Glentleitn und Amerang sind wirkliche Aushängeschilder für den Bezirk Oberbayern.

Nicht unerwähnt will ich unsere Fachberater lassen, die in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen weit über die Grenzen Oberbayerns hinaus für Aufmerksamkeit sorgen und sowohl im ökologischen als auch im heimatkundlichen Bereich Hervorragendes leisten.

Ein besonderes Anliegen ist uns die weitere Förderung des Bezirksjugendrings. Die Jugendarbeit steht vor einer großen Herausforderung. Eine sich verändernde Gesellschaft, in der Leistung mehr denn je zählt und ehrenamtliches Engagement zwar gewünscht, aber bitte außerhalb der beruflichen Tätigkeit zu leisten ist, eine Gesellschaft in der endlich das Thema Ganztagsschule angekommen ist und damit völlig neue Herausforderungen an Kinder und Jugendliche stellt, ist mehr denn je auf eine gute, offene Jugendarbeit angewiesen. Jugendliche brauchen Freiräume, Räume sich auszuprobieren, Bereiche, in denen sie Verantwortung übernehmen können. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass dies auch weiterhin gut möglich ist.

Dass wir dem Haushaltsentwurf in der vorgelegten Form zustimmen, ist kein Geheimnis.

Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung, in den Einrichtungen und in den Kliniken. Gerade in der Verwaltung waren die Belastungen in den vergangenen beiden Jahren ganz erheblich. Wir haben großes Interesse daran, die Fluktuation einzudämmen und gemeinsam mit Ihnen Verbesserungen umzusetzen. Wir werden uns diesem Thema im kommenden Jahr verstärkt annehmen.

Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich für die gute Zusammenarbeit und das gute Arbeitsklima danken.

Uns allen wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest, erholsame Tage und ein gesundes und erfolgreiches Jahr.

 

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