Rede zum Haushalt 2008 von Martina Neubauer

Martina Neubauer, Fraktionssprecherin

Die Steuereinnahmen sprudeln, der Bayerische Verfassungsgerichtshof fällt am 28. November 2007 über die Popularklage ein kommunalfreundliches Urteil, es weihnachtet und was machen die Grünen mit dem Haushalt???

Leider kann ich es Ihnen nicht ersparen, dass ich mich einigen Aspekten des Zahlenwerks und seiner politischen Aussagekraft widme, bevor ich eine Aussage dazu treffe, wie wir zum Haushalt stehen. Das erhöht vielleicht die Aufmerksamkeit.

Lassen Sie mich zunächst auf das reine Zahlenwerk eingehen. Wie in den vergangenen Jahren hegen wir keinen Zweifel an seiner Korrektheit. Ich möchte mich ausdrücklich im Namen meiner Fraktion bei der Kämmerei und insbesondere bei Ihnen Herr Rössler bedanken. Wie immer haben Sie uns den Haushalt aus Sicht des Kämmerers gut aufbereitet und somit den Weg für die heutige Debatte geebnet. Ein herzliches Dankeschön dafür!

Anders als in den vergangenen Jahren möchte ich in diesem Jahr mit den Bereichen unserer Aufgaben anfangen, die – zumindest in Jahren finanzieller Entspannung – richtig Spaß machen. Dazu gehört natürlich der Aufgabenbereich der Kultur:

Wie so oft im Leben hat alles zwei Seiten

Kultur war 2007 nach einigen Jahren des Rückgangs endlich wieder ein Kernauftrag, den der Bezirk Oberbayern auch ernst nahm. Hervorzuheben ist – neben unserem Kulturpreis und den erfolgreichen Kulturtagen – die lange Zeit überfällige Anhebung der Zuschüsse, die nun für ein facettenreicheres Kulturbild in Oberbayern sorgen. Von Bedeutung der gute Weg, den unsere Freilichtmuseen Glentleiten und Amerang beschreiten. Während die Glentleiten Landschaftsökologie in Zukunft kulturhistorisch definiert, steigen in Amerang Interesse und Besucherzahlen. Erfreulich, und ein Ergebnis – das sei mir an dieser Stelle einmal erlaubt zu sagen – von guter Frauenpower. Kompliment!

Kompliment auch für das Volksmusikarchiv, das aus dem Leben in Oberbayern nicht mehr wegzudenken ist.

Das Gleiche gilt für Kloster Seeon, das sich zunehmend zukunftsfest positioniert.

Aber – und da zeigt sich erstmals die Kehrseite der Medaille – die guten Zahlen, die Seeon mehr und mehr vorlegt, sind nur dank des großen Einsatzes und Entgegenkommens des dortigen Personals möglich. Der Bezirk wird aufpassen müssen, Erfolge in Zukunft nicht ausschließlich „auf dem Rücken“ seiner Bediensteten zu erzielen, sondern erkennen müssen, dass langfristige Erfolge nur mit dem Personal gemeinsam errungen werden können.

Personelle Engstellen gibt es immer noch zu häufig. Ob der Schafhof zum Beispiel wirklich zu einem innovativen Künstlerhaus in Europa werden kann, hängt auch davon ab, wie wir ihn personell ausstatten. Da geht es nicht immer nur ums Geld, sondern vor allem um Ideen, die umgesetzt werden müssen. Gleiches gilt für ein Museum zu Industrie- und Arbeitswelten. Wichtig ist, wie ein Inhalt sinnvoll ins Bild gesetzt werden kann. Zu danken ist ausdrücklich dem überfraktionellen Arbeitskreis. Dessen Ausstellung ist mittlerweile eine kleine Erfolgsgeschichte.

Vieles lässt sich nur bedingt in Geld rechnen. Wir GRÜNE gehen ja den Weg der Haushaltskonsolidierungen mit, vor allem im Sinn nachfolgender Generationen. Aber diesen Weg gerade im Bereich der Bildung zu gehen ist kontraproduktiv, das erschließt sich uns nicht immer. Im Fall der Schulen in Berchtesgaden und Neuburg an der Donau stehen wir für mehr Bildung und weniger Kürzung, im Fall vieler anderer, ganz unterschiedlicher Ausbildungsstätten des Bezirks wie die in Johanneskirchen oder Landsberg für klare Investitionen.

Wie sehr sich die Kulturarbeit lohnt, zeigen die beiden diesjährigen Träger des Lore-Bronner-Preises. Sie werden in Weilheim richtiggehend gefeiert, erhalten Nachfolgeengagements. Solche Erfolge darf es 2008 ruhig noch mehr geben!

Auch die Zusammenarbeit mit dem Bezirksjugendring ist eine kleine Erfolgsgeschichte. Das neuaufgelegte Kinder- und Jugendprogramm und der Grundlagenvertrag sind der Beweis für die gute Zusammenarbeit zwischen Bezirksjugendring, Bezirksverwaltung und Politik. Auch die oberbayerischen Jugendkulturtage sind mittlerweile eine feste Institution geworden und eine wahre Bereicherung für Jung und Alt! Auch wenn der Bayerische Jugendring vom Obersten Rechnungshof gerügt wurde, so meine ich, dass unser Partnerjugendring in Oberbayern hiervon nicht betroffen ist. Hier wird gute, effektive, sinnvolle und nachhaltige Arbeit für die Jugendlichen, für unsere Gesellschaft geleistet. Ein herzliches Dankeschön an alle professionellen und ehrenamtlichen Akteure ist an dieser Stelle mehr als angezeigt!

Kennen Sie das Logo mit dem sich der Bezirk Oberbayern schmückt? Für jeden, der es noch nicht weiß, wir sind zuständig für „Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur, Heimatpflege und ??? Ja: Umwelt!“

Sie haben recht, „Umwelt“ ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit „Umweltschutz“. Auch wenn das Gemeinhin damit assoziiert wird. Aber, Sie werden mir recht geben, der Bereich „Umwelt“ nimmt nun wirklich keine herausragende Rolle ein. Personell mit 2 halben Stellen hat man den Eindruck, eines Anhängsels im Briefkopf – ohne Bedeutung. Eine moderne Verwaltung muss gerade im Bereich Umweltschutz vorbildlich sein.

Auch wenn zu begrüßen ist, dass im Bereich der Gebäudesanierungen endlich entscheidende Schritte getan werden, dass die Arbeitsgruppe „Bau“ nicht nur ans kurzfristige Sparen denkt, sondern ihr Augenmerk auch immer auf ökologisch sinnvolle Maßnahmen setzt, fehlt es an der konzeptionellen Zusammenarbeit der verschiedenen Verwaltungsbereiche, fehlt es an einer durchgängigen Leitlinie. Da sind dann die CO 2-Schleudern im Fuhrpark, die Anschaffung eines spritfressenden Jeeps für den Fischereibeauftragten nur die Spitze des Eisbergs.

Wir bedauern es außerordentlich, dass die Bezirke die Zuständigkeit für die Gewässer 2. Ordnung verlieren. Wir sind davon überzeugt, dass die Maßnahmen, die der Bezirk Oberbayern in den vergangenen Jahren durchgeführt hat, sinnvoll und notwendig waren. Wir halten es für selbstverständlich, die begonnenen Maßnahmen zu Ende zu führen, auch wenn die kritische Anmerkung erlaubt sei, dass es sich der Freistaat hier mit seiner Argumentation schon leicht macht. Diejenigen, die ihre Hausaufgaben nicht so ordentlich gemacht haben, sind entsprechend weniger mit den Folgekosten belastet.

Krankenhäuser und EDV-Gesellschaft

Im vergangenen Jahr haben wir unsere Krankenhäuser in die „Selbständigkeit“ entlassen, in diesem Jahr folgen die Forensiken. Einen ersten Beteiligungsbericht werden wir erst im kommenden Jahr erhalten. Dennoch meine ich, eine vorsichtig optimistische Aussage treffen zu können. Die Kliniken sind dabei, sich gut aufzustellen und ihre Potentiale zu optimieren. Dabei muss allen klar sein, dass der Bezirk Oberbayern noch für lange Zeit die Versorgungsaufwendungen für die Beamten und ihre Angehörigen wird leisten müssen.

Mit besonderer Sorgfalt werden wir die Veränderungen im Personalbereich beobachten und unser Augenmerk darauf richten, dass auch zukünftig ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt wird; und das zu den tariflichen Bedingungen.

Ein weiteres Augenmerk werden wir darauf richten, dass die Regionalisierung nicht „einschläft“. Ziel muss es nach wie vor sein, in den Regionen ein adäquates klinisches Angebot zu schaffen. Wir hoffen, dass es in Freilassing das nächste Woche offiziell eröffnet wird – trotz der besonderen strukturellen Probleme – gelingt, eine funktionierende Klinik auf die Beine zu stellen.

Besonders wichtig ist uns, dass in Fürstenfeldbruck ebenso wie in München endlich „Nägel mit Köpfen“ gemacht werden. Wie lange sollen sich die Verhandlungen eigentlich noch hinziehen? Dies geht zu Lasten des Bezirks und zu Lasten der Patientinnen und Patienten.

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt es nach wie vor zu lange Wartezeiten. Wir haben eine deutliche Zunahme an Familien, an Kindern und Jugendlichen in psychischer Not. Wir müssen alles daran setzen, hier für Entlastung zur sorgen. Besonders wichtig wird es sein, wie sich das Kinderzentrum zukünftig positionieren wird.

Die Verwaltung und das Kommunalunternehmen müssen sich die Frage stellen, warum die Zusammenarbeit mit der EDV-Gesellschaft nicht – wie geplant und prognostiziert – funktioniert und warum die Kosten wesentlich höher, als geplant sind. Ich erwarte von einem Unternehmen, dass es solide und realistisch plant, dass es mit seinen Partnern verlässlich umgeht. Die Erwartung, dass die Politik bei Fehlplanungen schon Gelder nachschießt und nicht nach den Verantwortlichen fragt, werden wir nicht erfüllen.

Soziales

Selbstverständlich nimmt die Auseinandersetzung mit unserer größten zu bewältigenden Aufgabe – dem Sozialbereich – auch den Hauptteil meiner Rede ein.

Der „Wettbewerb“ der Bezirke untereinander – neudeutsch: Benchmarking – wird leider viel zu oft falsch verstanden. Es ist nicht der Wettbewerb um das billigste Angebot. Es ist der Wettbewerb um die bessere Qualität, der Wettbewerb um die besseren Ideen, die kreativsten Lösungsansätze, um Visionen. Immer wieder haben wir den Eindruck, dass es der Wettbewerb des kurzfristigen Sparens – ohne Sinn und Ziel – und immer zu Lasten derjenigen, die die Schwächsten in der Gesellschaft sind, ist. Wo bleibt der Mut für die notwendige Debatte „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“, wo spiegelt sich das C – für christlich und das S – für sozial wider und wo bleibt der Blick in die Zukunft?

Besonders unwürdig war die Auseinandersetzung zur Personalausstattung in den Wohnheimen für Menschen mit Behinderung. Erst als die Lebenshilfe Starnberg den Klageweg beschritt, ist auch die CSU aufgewacht. Ich hoffe, dass es uns gemeinsam mit den Vertretern der Wohlfahrtsverbände gelingen wird, eine angemessene Lösung zu finden. Angemessen heißt nicht billig, sondern angemessen heißt: den Bedürfnissen und Bedarfen der Menschen mit Behinderung angemessen. Allen die Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen, wie es in der Bayerischen Verfassung steht, sollte für uns alle eine Selbstverständlichkeit sein.

Ambulant und Stationär

Die Bezirke haben darum gerungen, endlich die Zuständigkeit auch für die ambulante Eingliederungshilfe zu erhalten. Jetzt müssen sie, jetzt müssen wir, beweisen, dass wir in der Lage sind, dieser Aufgabe tatsächlich gerecht zu werden. Die Steuerungsinstrumente für alle Leistungen liegen nun in unserer Hand. Stellt sich nur die Frage, ob wir diese auch sinnvoll einsetzen können.

Die Haltung der Mehrheitsfraktion scheint mir – gelinde gesagt – inkonsequent. Auf der einen Seite kämpfen Sie mit viel Energie und Einsatz für diese neue Aufgabe, auf der anderen Seite beschränken Sie die personelle Ausstattung in der Verwaltung. Die Frage sei schon erlaubt, wie die Besetzung der geplanten 93 Planstellen erfolgen soll, wenn die Personalabteilung keinerlei Aufstockung erhält. Wollen wir qualifiziertes Personal, oder sollen die Stellen einfach (bzw. nicht so einfach) besetzt werden? Wie sollen wir tatsächlich planerisch vorwärtskommen, wenn unsere Stabsstelle für Sozial-, Versorgungs- und Gesundheitsplanung nur unzureichend ausgestattet ist? Ich glaube, hier wird an der falschen Stelle gespart!

Wenn es uns nicht gelingt, die Eingliederungshilfe ohne große Reibungsverluste und mit einer tatsächlichen Verbesserung der Versorgungslandschaft zu organisieren, dann ist dies nicht nur eine Blamage für den Bezirk Oberbayern, sondern eine Katastrophe für die Menschen mit Behinderung, ihre Angehörigen und die Einrichtungen.

Wir müssen in den nächsten Monaten beweisen, dass wir in der Lage sind, dieses neue Steuerungsinstrument sinnvoll zu nutzen. Dafür braucht es grundlegende politische Entscheidungen und dafür braucht es motiviertes, gutes Personal. Sehr rasch werden wir uns auch mit der Frage beschäftigen müssen, ob wir – um eine optimale Beratung anbieten zu können – auch regional vertreten sein müssen.

Aus unserer Sicht bedarf es auch einer Neuregelung bei der „Hilfe zur Pflege“. Entgegen der Meinung der Mehrheitsfraktion bin ich der festen Überzeugung, dass es auch hier Sinn macht, die Zuständigkeiten für alle Bereiche von ambulant bis stationär in eine Hand zu legen. Auch wenn es für Sie überraschend klingen mag: Es gibt auch stationäre Einrichtungen, die so innovative Ansätze verfolgen, die Bewohnerinnen und Bewohner wieder so fit zu machen, dass sie den stationären Bereich wieder verlassen können.

Also: anpacken, mutige, zukunftsweisende Entscheidungen und kein Kleinmut!

Zustimmung oder Ablehnung

Es ist ja keine Überraschung mehr, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Haushaltssatzung in der vorliegenden Form zustimmen wird. Wir begrüßen die Senkung der Umlage; auch wir sind nicht so weltfremd und verkennen die Notwendigkeit, dass auch die Städte, Gemeinden und Landkreise ihre Aufgaben erfüllen müssen. Dabei dürfen wir jedoch nicht vergessen, welch wichtige Funktion die Bezirke in diesem System wahrnehmen: Sie sollen ausgleichen zwischen den unterschiedlichen Regionen, für gleichwertige Lebensverhältnisse und Versorgungsstrukturen in ihrem Aufgabenbereich sorgen. Dies können sie nur, wenn sie genügend finanziellen Handlungsspielraum haben.

Eine Wohltat, dass der Landtag nun zur Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs bis Ende 2009 verpflichtet ist. Nicht mehr von „Becksteins Gnaden“ abhängig zu sein. Nicht dem Belieben des Finanzministers ausgesetzt zu sein, sondern Transparenz und Verbindlichkeit müssen Grundlage der neuen Vereinbarungen sein.

Dank

Bei Ihnen allen möchte ich mich ganz herzlich für die gute interfraktionelle Zusammenarbeit bedanken. Mein Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, unserer Einrichtungen und der Kliniken und den Personalvertretungen.

Ich wünsche Ihnen allen und Ihren Angehörigen im Namen meiner Fraktion ein schönes Weihnachtsfest, eine ruhige Zeit „zwischen den Jahren“ und ein gesundes, glückliches und friedliches Jahr 2008.

zurück