AK-Umwelt besucht die Hauptverwaltung der Bezirksgüter in Haar
Besuch des AK Umwelt und Natur der Bezirkstagsfraktion Die Grünen Oberbayern am 26.11. in der Bezirksgüter-Hauptverwaltung in Haar
Informationsgespräch mit Gutsleiter Klaus Schwerdtner
Termin: Freitag, den 26.11.2021, 10.00 – 12.30 Uhr
Ort: Gutsverwaltung, Haar, Vockestraße 97
Anwesende: Gina, Elisabeth, Eckart, Ulrike, Anton, Ottilie, Petra, Georg (und Herr Schwerdtner)
Herr Schwerdtner begrüßte uns in der Bauernstube im nördlichen der 2 großen Eingangshäuser des Bezirksgutes in Haar, zwischen denen die Zufahrt zu diesem liegt. Trotz eines herrlich großen Kachelofens war die Bauernstube (Gemeinschaftsraum der ehemaligen Mitarbeiter*innen des Bezirksgutes) ungeheizt – es war demzufolge eine sehr klimafreundliche Zusammenkunft, die jedoch mit Zeitverlauf der Veranstaltung besonders mit Blick auf den kalten Kachelofen ein gewisses inneres Zittern aufkommen ließ. Dem 1 ½-stündigen Vortrag von Herrn Schwerdtner zur Geschichte des Gutes und der Entwicklung der Produktionsweise schloss sich eine über 1/2 –stündige Fragerunde der 8 anwesenden Fraktionsmitglieder an und danach ein 1/2 –stündiger Hofgang mit Feldbesichtigung. Es war ein sehr informatives Fachgespräch, bei dem sich Herr Schwerdtner als kompetenter und fachkundiger Referent in Sachen Geschichte des Bezirksgutes und Anbau- bzw. Kulturführung von Ackerfrüchten erwies. Er selbst ist studierter Agrarwirt (Fachhochschule Weihenstephan/Triesdorf Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre) und arbeitet seit 1993 auf dem Bezirksgut, zuerst als „Anbauchef“ unter dem damaligen langjährigen (35 Jahre) Gutsleiter Friedel und dann nach dessen Pensionierung 1998 selbst als Gutsleiter. Er ist heute der einzige auf den Bezirksgütern „Angestellte“ – neben einer Halbtagskraft für das Büro und die Verwaltungsarbeiten -, der vom praktischem Anbau, über Organisation bis zur Vermarktung alles macht – das war eine überraschende Information.
Das Bezirksgut Haar (und das Bezirkskrankenhaus) entstand Anfang des 20. Jahrhunderts (große 100-Jahr-Feier im Jahr 2003) an Stelle alter Bauernhöfe (Weiler) von Eglfing (heutiger Haarer Ortsteil), von denen nur noch eine Kapelle (erbaut 1818), die Antoniuskapelle, südlich des Bezirksgutes stehengeblieben ist. Anfang des 20. Jahrhunderts hat die Münchener Schotterebene eine große Trockenheit heimgesucht, durch die viele Höfe in den Ruin getrieben wurden, so auch die ehemaligen Höfe rund um Eglfing. Grundlage waren die Planungen, ein großes Krankenhaus für psychisch kranke Menschen zu bauen, dem zur Versorgung der Patient*innen, aber auch zur therapeutischen Behandlung ein landwirtschaftliches Gut angeschlossen werden sollte. Das Ziel war es, dieses landwirtschaftliche Gut vor der Eröffnung des Krankenhauses in Betrieb zu nehmen, was zu der „Eröffnung“ des Gutes bereits 1903 führte. So konnte bei der Eröffnung des Krankenhauses 1905 die entsprechenden Funktionen (Versorgung und Ort für Arbeitstherapie) voll geleistet werden.
Wikipedia:
„Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die für den Kreis Oberbayern existierende Irrenanstalt an der Auerfeldstraße in München-Giesing an die Grenzen ihrer Aufnahmekapazitäten gestoßen, so dass ein Neubau dringend erforderlich war. 1898 wurde geplant, dass 1000 Betten gebaut werden sollten. Dazu wurde von 1901 bis 1905 in der Nähe der Ortschaft Haar auf dem Gelände des aufgekauften Weilers Eglfing eine neue Anstalt im damals vorherrschenden Pavillonstil errichtet. Die Planungsgrundlage hatte der Psychiater Friedrich Vocke erarbeitet, die Bauausführung für die einheitliche Anlage im Jugendstil erfolgte weitgehend durch Carl Freiherr von Harsdorf (Bamberg) und Adolf Stauffer (Rosenheim). Die Oberbayerische Kreisirrenanstalt Eglfing hatte Platz für etwa 1200 Kranke, auf einer Fläche von 100 ha mit 60 Gebäuden, 30 Pavillons und 46 Krankenstationen, darunter auch Dienstwohnungen- und häuser. Die Klinik wurde am 12. Juli 1905 offiziell eröffnet. Die Patienten aus Giesing wurden im Laufe eines Monats überführt. Die Unterbringung erfolgte getrennt nach Geschlechtern und nach Schwere der Krankheit.“
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Isar-Amper-Klinikum_M%C3%BCnchen-Ost
Das Gut ist im Stil eines Vierseithofes angelegt. (Ein Vierseithof ist die Bezeichnung für eine Hofform, bei der der landwirtschaftliche Wirtschaftshof von allen vier Seiten von Gebäuden umschlossen ist, in der Regel also vom Wohnhaus, dem Stadel oder der Scheune, dem Getreidekasten, Kornhaus, Kornspeicher oder Getreidespeicher und dem Stall.) Die beiden Häuser an der Ostseite (Zufahrtsseite) sind große Wohn- und Verwaltungshäuser, wobei sich im südlichen Haus die Verwaltungsräume und Wohnungen befinden, im nördlichen die Unterkünfte von ehemals Feldarbeiter*innen und heute Auszubildenden bzw. Praktikant*innen. Die Maschinenhalle sowie die Getreidesilos befinden sich im Gebäudekomplex auf der südlichen Seite (links der Zufahrt) die ehemaligen Stallungen zur rechten Seite (Norden). Diese sind in einer besonderen Weise mit Kreuzgewölbe gebaut, damit über diesen das Futter gelagert werden konnte (erhöhte Traglastfähigkeit) Sie sind relativ niedrig und sehr dunkel, d.h. nur kleine Fenster wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts normalerweise gebaut wurden. Gegenüber den beiden Gebäuden an der Zufahrtsseite steht ein Gebäudekomplex (Remise), in dem die verschiedensten Dinge gelagert bzw. abgestellt werden (wurden). In der Mitte befindet sich das im Foto der Homepage abgebildete Taubenhaus.
In Haar gab es bis lange nach dem Weltkrieg noch eine Viehbewirtschaftung mit einem Viehbestand von ca. 80 Rindern, zuerst Milchvieh (später Bullenmast). Die Milch wurde in einer hofeigenen Molkerei verarbeitet. Von Vorteil war auch die hofeigene Brennerei (verdeckt nördlich hinter den Stallgebäudekomplex), in der zunächst aus Kartoffeln Schnaps hergestellt wurde und dann später – weil der Kartoffelertrag auf den Feldern der Münchner Schotterebene gering war auch zu einem Drittel aus Getreide. Die Überreste nach dem Einbrennen eigneten sich hervorragend als Rinderfutter, wodurch eine ökologische Kreislaufwirtschaft entstand. Der Rindermist konnte auf die Felder gebracht werden, wo über den organisch gebundenen Stickstoff die Nährstoffzufuhr für den Pflanzenanbau gewährleistet wurde, ohne die beim Einsatz von mineralischen Dünger Gefahr der Auswaschung. Als die EG 1984 die Milchkontingentierung einführte mit Vergabe von Milchquoten und dem damit verbundenen Preisverfall für die Milch hörte man mit der Milchviehhaltung auf– die Molkerei wurde demzufolge stillgelegt. Stattdesseb stellte man auf dem Bezirksgut in Haar auf Bullenmast um, die ca. 20 Jahre betrieben wurde. Als im Jahr 2000 die Rinderseuche BSE aufkam und anschließend 2001 in Deutschland grassierte, wodurch die Fleischpreise fielen, entschloss man sich, die Bullenmast aufzugeben. Unterstützender Einflussfaktor waren auch die Entwicklungen bei der Tierhaltung, die den Bedingungen in Haar mit den dunklen (sehr kleine Fenster) und niedrigen Stallungen nicht mehr gerecht wurden. Die Stallungen sind heute ungenutzt (leerstehend).
Die Brennerei wurde vor ca. 5 Jahren geschlossen und die Brennereirechte abgegeben, obwohl zuvor zahlreiche Besonderheiten von dem ehemaligen Gutsleiter Herr Friedel durchgesetzt wurden, so dass die Brennerei bis dahin ihren Betrieb aufrechterhalten konnte. Z.B. durfte dem ursprünglichen 100%-igen Brennereirohstoff „Kartoffel“ Getreide zugemischt werden. Herr Schwerdtner hat einen extra Lehrgang absolviert, um nach der Pensionierung des alten Gutsleiters 1998 als Brennmeister die Brennerei weiter betreiben zu können.
Das Bezirksgut besteht aus drei Standorten: Haar als Sitz der Bezirksgüterverwaltung und die zwei Standorte in Taufkirchen/Vils im Landkreis Erding an der Grenze zu Niederbayern und Gut Gern in Gabersee bei Wasserburg.
Homepage Bezirk: „Die Gesamtfläche der Bezirksgüter beträgt 608 Hektar. Sie setzt sich wie folgt zusammen:
Gut Haar bei München
landwirtschaftliche Fläche 163 ha
forstwirtschaftliche Fläche 146 ha
Gut Gern in Gabersee bei Wasserburg
landwirtschaftliche Fläche 135 ha
forstwirtschaftliche Fläche 72 ha
Gut Taufkirchen (Vils)
landwirtschaftliche Fläche 96 ha
forstwirtschaftliche Fläche 14 ha“
https://www.bezirk-oberbayern.de/Bezirk/Einrichtungen-und-Beteiligungen/Bezirksg%C3%BCter
Alle drei Standorte waren bei der Gründung zunächst Versorgungsgüter mit Nahrungsmitteln für Liegenschaften von psychiatrischen Bezirkskrankenhäuser. Seit der Beendigung des Einsatzes von psychisch Kranken der Bezirkskrankenhäuser in den landwirtschaftlichen Gütern zur Arbeitstherapie und Reintegration werden die 3 Güter als selbständige Einrichtung bzw. als Eigenbetrieb seit 1982 geführt. Sie liegen ungefähr in einem Dreieck mit ca. 50 Kilometer langen drei Seiten zueinander – vom Gut Haar aus gesehen Gabersee ziemlich genau nach Osten und Gut Taufkirchen 50 Kilometer nach Nordosten. Homepage Bezirk: „Mit den Erträgen aus der Land- und Forstwirtschaft sowie den Einnahmen aus der Vermietung von Räumlichkeiten erhält der Bezirk Oberbayern die historische Gebäudesubstanz und sichert den Fortbestand der landwirtschaftlichen Betriebe. In den Betrieben werden landwirtschaftliche Lehrlinge ausgebildet. Es gibt Führung von Schulklassen und Pflanzaktionen für Jugendliche.“ Ein weiteres Standbein der Bezirksgüter ist die Erzeugung von nachwachsenden Rohstoffen für Biogasbetriebe sowie der Anbau von Raps und Getreide für ortsansässige Mühlen. Eine wichtige Aufgabe ist auch die Bereitstellung und Pflege von ökologischen Ausgleichs- und Naturschutzflächen. Das Gut Haar wird zunehmend für landwirtschaftliche Fortbildungsveranstaltungen genutzt.“
Der Gutsstandort in Gabersee wird von Haar aus bewirtschaftet, d.h. es gibt (gab) kein Personal vor Ort. Auch die Landwirtschaftstechnik steht in Haar und wird nach Gabersee gefahren. Die Gebäude des Anwesens wurden (sind) privat verpachtet und werden als Gestüt genutzt. Noch heute fährt Herr Schwerdtner zur Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen früh morgens 6.00 Uhr mit den in Haar untergestellten Traktoren und Geräten ca. 1 Stunde nach Gabersee, um dort die notwendigen Arbeiten durchzuführen und abends zurück; manchmal – wenn die Arbeitszeit nicht ausreicht – lässt er auch die Geräte über Nacht in Gabersee stehen, um sie am nächsten Tag wieder direkt dort noch einmal einzusetzen. Einige (akute) Arbeiten werden von einem örtlichen Landwirt durchgeführt.
Der Gutsstandort in Taufkirchen wurde lange Zeit (bis ca. 2005) mit vor Ort „stationierten“ 2 Mitarbeitern bewirtschaftet bis diese in Pension gingen. Einer von den beiden arbeitete noch auf Basis geringfügiger Beschäftigung weiter quasi bis zu seinem Tod (ca. 2017) und kümmerte sich um Maschinen und die Bestellung der Ackerflächen und schaute nach dem „Rechten“. Seit 4 Jahren sind sämtliche notwendigen Arbeiten vergeben an einen Landwirt vor Ort, der drei Söhne hat, die dadurch alle im landwirtschaftlichen Bereich tätig sein können.
Die Philosophie der Bezirksgutführung ist, grundsätzlich keine Flächen der Bezirksgüter zu verpachten (nur Bezahlung für Bewirtschaftung). Die wirtschaftliche Philosophie der „Bezirksgüterführung“ ist laut Herrn Schwerdtner eine „gewisse“ Gewinnerzielung, auf jeden Fall keine Zuschüsse zur Deckung von Defiziten aus dem Bezirkshaushalt in Anspruch nehmen zu müssen. Deshalb wird laut Wirtschaftsplan auch immer ein Gewinn angestrebt/eingeplant und auch eingehalten. In Sachen „Anbauphilosophie“ stellt Herr Schwerdtner fest, dass er aufgrund seiner Ausbildung auf den Bezirksgütern grundsätzlich nach den Vorgaben des konventionellen Landbaus arbeitet. Auf dem Bezirksgut gibt es keine Monokulturen. Homepage der Haarer Grünen: „Es gibt eine Fruchtfolge von vier Sorten und einer zusätzlichen Zwischenfrucht zur Verbesserung des Bodens (Senf) Durch die Reihenfolge „Sommer Gerste – Winterweizen – Raps – Zwischenfrucht – Silomais“ konnte auf Glyphosat seit 2017 komplett verzichtet werden. (…) Die zusätzliche Zwischenfrucht versorgt den Boden mit wertvollen Nährstoffen und hilft den Insekten bei der Nahrungssuche. Bei der Bodenbearbeitung wird auf das Pflügen verzichtet. Dies wurde früher eingesetzt um den Boden von der alten Bepflanzung zu befreien. Heute wird der Boden auf den oberen 5-10 cm aufgelockert und damit der alte Pflanzenbewuchs untergehoben. Dies ist deutlich schonender als Pflügen oder eine chemische Behandlung.“
Es war immer das Ziel gewesen, beim Anbau den Einsatz von Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden zu reduzieren; schon allein aus wirtschaftlichen Überlegungen, die Kosten diesbezüglich zu senken. So habe er schon früh keinen pauschalen Einsatz von Pestiziden nach Jahreszeit bzw. Entwicklungsstadium einer Pflanze gewollt, sondern in Zusammenarbeit mit einer „Beratungsfirma“ einen Anwendungsplan nach Bedarf entwickelt. Z.B. bei bestimmten Pilzen wurden die Pflanzen untersucht, um Vorzeichen für eine Sporenbildung zu erkennen und auch in Abstimmung mit der zu erwartenden Niederschlagsmenge gar keine oder unterschiedliche Spritzmengen auszubringen. Dies habe sich bewährt. Auch den Einsatz von mineralischen Dünger habe er durch Bodenprobenanalysen versucht einzuschränken.
Seit 2019 werden auf einer Teilfläche von 23 ha erste Anbauerfahrungen in der ökologischen Produktionsweise gemacht. Diesbezüglich hat er zuerst eine Klee-Einsaat zur Bodenverbesserung gemacht, die bei der Einarbeitung in den Boden durch die geringe Wurzeltiefe im Boden Probleme beim Umbruch mit den vorhandenen Geräten bereitete. Bei der ersten Ackerfrucht nach ökologischen Anbaurichtlinien „Wintergerste“ wurde 2020 ein um ein Drittel geringerer Ertrag bei ca. um ein Drittel höherer Erlöse erzielt. Allerdings konnte die Wintergerste nicht als „aus ökologischem Anbau“ vermarktet werden, weil das nur geht, wenn sämtliche Ernten im Gut bei diesem Produkt Wintergerste von Flächen mit ökologischer Bewirtschaftung kommen. Es geht auch nicht, dass das Bezirksgut sich einem Anbauverband anschließt, weil das komplette Gut dann umgestellt werden muss, was nach Aussagen von Herr Schwerdtner organisatorisch nicht machbar wäre. Bestimmte Ackerfrüchte wie Ackerbohnen, Erbsen oder Dinkel kommen als Frucht in ökologischer Anbauweise nicht in Frage wegen des schlechten Bodens oder der hohen Feuchtigkeit (Dinkel).
Herr Schwerdtner spielt mit dem Gedanken, Raps als Anbaupflanze in ökologischer Anbaupflanze auszuprobieren, weil diese hohe Verkaufserlöse bringt. Den angesprochenen Ersatz von Maisanbau als Energiepflanze durch Silphie, die wesentlich blühfreudiger bis lange in den Herbst hinein und demzufolge insekten-/bienenfreundlicher ist, verfolgt Herr Schwerdtner nicht weiter, weil diese das Grundwasser braucht, was in Haar viel zu tief liegt und sie demzufolge vertrocknen würde.
Bericht der GRÜNEN aus Haar zu deren Besuch der Bezriksgüter im Jahr 2019