Rede zur Verbandsversammlung, von Martina Neubauer
Martina Neubauer, Fraktionssprecherin
Zunächst möchte ich mich sehr herzlich bei Ihnen, Herr Präsident Hölzlein, für die frühzeitige Übersendung des Tätigkeitsberichts bedanken. Gerne greife ich auf Ihre Gliederung zurück, möchte jedoch die Reihenfolge ändern und mit dem für die bayrischen Bezirke bedeutendsten Teil, dem Bereich Soziales und Gesundheitswesen abschließen. Ich werde auch nicht alle Themenbereiche ansprechen.
Wenn Sie Umwelt- und Fischereiwesen nicht zusammen gefasst hätten, wäre nicht viel übrig geblieben. Mit dem Verlust der Gewässer 2. Ordnung hat sich der Handlungsspielraum für die Bayerischen Bezirke weiter eingeschränkt. Und da, wo er vorhanden wäre, passiert nicht immer das Optimale. Dennoch erwarten wir uns von der Umsetzung des Konjunkturpaketes II, aus dem die Bezirke insbesondere für energetische Sanierungsmaßnahmen Gelder erhalten werden, einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz. Zusätzlich können die Bezirke z. B. beim Bezug von Ökostrom, beim Kauf und der Benutzung von umweltfreundlicheren Dienstfahrzeugen und selbstverständlich bei allen Baumaßnahmen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Auch wenn der Kulturetat der einzelnen Bezirke im Vergleich zum Gesamthaushalt verschwindend gering ist, kommt der Kulturarbeit eine große Bedeutung zu. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass seitens des Verbands im vergangenen Jahr mit dem Thema „Alter und Kultur“ ein besonderer Schwerpunkt gesetzt wurde. Der These, dass Kulturarbeit nicht nur mit einer wesentlichen Steigerung der Lebensqualität von alten Menschen verbunden ist und auch ökonomische Wirkung hat, kann ich nur zustimmen.
Ich freue mich, dass die Auseinandersetzung mit dem demographischen Wandel nicht dazu führt, die Jugendarbeit zu vergessen. Mit den Fachberatungen für Medien und für Popmusik, mit der engen Zusammenarbeit mit den Jugendringen und auf Verbandsebene jetzt der Arbeitskreis zur Jugendarbeit mit dem Bayerischen Jugendring setzt der Verband ein richtiges Zeichen. Denn es ist zu befürchten, dass die auf uns zukommenden Sparjahre wieder zu Einspardiskussionen bei den sogenannten freiwilligen Leistungen führen werden. Die Qualität der Jugendarbeit darf darunter nicht leiden!
Und damit mit bin auch schon bei der Haushaltssituation. Sie haben in ihrem Tätigkeitsbericht bereits darauf hingewiesen, dass es im kommenden Jahr zu einer enormen Spreizung der Umlagekraftentwicklung kommen wird. Der auf der Sitzung des Hauptausschusses gefundene Kompromiss für die Verteilung der FAG-Mittel ist aus unserer Sicht keine langfristige Lösung. Wir wünschen uns mehr Transparenz, eine gründlichere Diskussion insbesondere über Qualitätsstandards und eine sichere Finanzierungsgrundlage für die Aufgabenbewältigung der Bezirke. Hier sind neben einem starken Verband natürlich das Land und auch der Bund angesprochen.
Mit der Übernahme der gesamten Eingliederungshilfe von ambulant bis stationär haben die bayerischen Bezirke eine Mamutaufgabe zu bewältigen. Sie, Herr Präsident Hölzlein haben das wesentliche angesprochen, das will ich nicht wiederholen.
Mir liegen aber ein paar Dinge im Magen, die ich gerne auf der Verbandsversammlung zur Sprache bringen möchte:
Wie sieht es mit der UN-Konvention aus? Sie ist ab sofort Grundlage unserer Entscheidungen. „Stellen Sie sich vor, Menschen mit Behinderung wählen frei und wollen nicht in für sie eigens errichteten Wohnanlagen. – Sind darauf die Bezirke vorbereitet? Sind sie zukunftsfähig?“
Wie sieht es mit dem persönlichen Budget aus? Immer noch gibt es viel zu wenige Menschen, die es in Anspruch nehmen und zu wenige stellen sich die Frage, woran es liegen könnte. Ich fordere Sie, wie bereits im vergangenen Jahr auf, endlich voran zu kommen. Was spricht dagegen, hier zunächst aus eigenen Mitteln eine Budgetassistenz zu finanzieren. Wenn wir die UN-Konvention ernst nehmen, dann müssen wir allen den Zugang ermöglichen und nicht mit bürokratischen Hürden erschweren.
Offensichtlich ist auch der Freistaat darauf gekommen, dass es bei der psychiatrischen Versorgung zu viele stationäre Plätze im Verhältnis zu den ambulanten Hilfen gibt. Ziel ist es, 20 % der stationären Plätze abzubauen. Der Freistaat verabschiedet sich aus den Investitionskostenzuschüssen und will für alle Bezirke zusammen den lächerlichen Betrag einer „Anschubfinanzierung“ von € 500.000 „spendieren“. Nur mit einer fundieten Sozialplanung – das gilt für alle Bereiche – wird es gelingen, der Steuerungsaufgabe gerecht zu werden. Statt reaktiv müssen die Bezirke ihren Aufgaben aktiv und planerisch erfüllen.
Die Zukunft der Pflege wird in unserer Gesellschaft noch zu gewaltigen Diskussionen führen. Auch hier werden wir über die Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts sprechen müssen und uns mit der Frage auseinandersetzen: Wohin soll sich unsere Gesellschaft entwickeln? Wollen wir ein solidarisches Miteinander oder geht es um Ellenbogen und das würdelose Abschieben derjenigen, die nicht oder nicht mehr in der Lage sind, einen materiellen Beitrag zu leisten. Entgegen der Mehrheitsmeinung haben wir eine Zusammenführung der Hilfe zur Pflege schon länger für sinnvoll erachtet. Es spricht vieles dafür, Schnittstellen beim Übergang zu vermeiden und die Hilfen aus einer Hand zu gewähren. Und wir sehen durchaus die Bezirke als geeignete Protagonisten bei der Aufgabenerfüllung.
Ich möchte hier die Pressemitteilung der Bundesgesundheitsministerin vom Dienstag dieser Woche zitieren:
„Die höchste und wichtigste Verpflichtung des Grundgesetzes liegt in Artikel eins: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wie der soziale Rechtsstaat Deutschland mit diesem Verfassungsgebot umgeht, das zeigt sich nicht zuletzt am Umgang mit den denjenigen, die als alte Menschen oder als Menschen mit Behinderungen auf Pflege angewiesen sind. Der bisher geltende Begriff der Pflegebedürftigkeit orientiert sich zu sehr an rein körperlichen Aspekten, und ist daher nachteilig vor allem bei demenziell erkrankten und geistig behinderten Menschen. Deswegen müssen wir weg von der ‚Minutenpflege’ hin zu einer Sichtweise des ganzen Menschen. Wir brauchen ein neues Verständnis von Pflegebedürftigkeit, das alle körperlichen, geistigen und psychischen Beeinträchtigungen umfasst.
Die Bezirke stehen in den nächsten Jahren, wegen der neuen Aufgaben, der demographischen Entwicklung und der schwachen Konjunktur vor großen Herausforderungen. Wir werden uns – wie gewohnt – aktiv in die Entscheidungsprozesse einbringen und uns für ein soziales Bayern stark machen.
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